Die ersten beiden Tage in Kapstadt haben wir bereits hinter uns, heute nehmen wir die andere Route der Hop On Hop Off Tour in Angriff. Diese führt uns zum botanischen Garten, in welchem wir auch gleich eine geführte Tour machen. Wir sehen zahlreiche Blumen und Vögel, welche es bei uns nicht gibt. Der Park ist durch einen reichen Bürger entstanden, welcher diesen anno dazumals gekauft und bepflanzt hatte. Der Bürgermeister wollte eine Autobahn quer durch diesen Park bauen lassen. Als die Maschinen angefahren kamen, legte sich der Parkinhaber vor diese hin und weigerte sich, die Pflanzen gegen Asphalt einzutauschen.
Wir erfahren, dass die Kapstädter bei Vollmond gerne auf den Lionshead steigen und es vom Park aus ebenfalls Wanderwege hoch auf die 12 Apostel gibt. So nennt man die Felsformation hinter dem Tafelberg. Wir überlegen uns spontan hochzuwandern, als der Weg jedoch nicht mehr gut ausgeschildert ist, brechen wir unser Vorhaben ab.

Wir steigen wieder in den Bus und fahren weiter, bis nach Hout Bay. Dies ist ein kleines Fischerdorf mit Handwerkskünstlern. Wir spazieren durch das Dorf bis zu den Baracken, wo die arbeitslosen Fischer wohnen. Durch den geringen Fischpreis und die Schwarzfischerei haben viele Fischer ihren Job verloren und suchen Arbeit. Wir besuchen eine Handwerkstätte, welche es sich zum Ziel gemacht hat, Arbeitssuchenden eine Perspektive und ein Handwerk mitzugeben. Wir bestaunen die Kunstwerke dieser und machen uns auf den Rückweg zum Hafen. Dort spazieren wir noch am Strand durch den Sand, weil wir noch ein paar Minuten auf den Bus warten müssen.

Wir fahren weiter an einem Township vorbei, so werden die Armenviertel hier genannt. Die Kriminalität und Armut sei in diesen Townships sehr ausgeprägt. Wir fahren weiter an den Weingütern vorbei, wo wir den Bus für eine Weintour wechseln könnten, wir entscheiden uns jedoch dazu, sitzen zu bleiben.

Bei Camps Bay steigen wir aus und werden gleich von einem Strassenhändler angesprochen. Dieser zeigt uns seine Bilder und wir entschliessen uns dazu, ihm drei abzukaufen. Danach geniessen wir den schönen Nachmittag am Strand. Wir setzen uns auf die Felsen und schauen den Wellen zu. Später gehen wir für einen Apero in ein Cafe an der Strasse. Was uns dort wieder auffällt: Es sitzen nur Weisse im besagten Cafe und die Farbigen bedienen oder zeigen akrobatische Darbietungen auf der Strasse. Eine dieser “Artistentruppe” führt auf dem Trottoir zirkusreife akrobatische Höchstleistungen aus. Ich bin beeindruckt von ihrem Können, jedoch scheine ich der Einzige im Cafe zu sein. Die anderen Gäste würdigen sie nicht einmal eines Blickes. Ich bin danach auch der Einzige, der einem der Künstler 50 Rand in den Hut steckt. Es schockiert uns, dass der Unterschied zwischen der dunkel- und hellhäutigen Bevölkerung noch so stark ausgeprägt ist und wie kalt auf den ärmeren Teil der Bevölkerung reagiert wird.
Wir machen uns mit einem Taxi auf den Rückweg in unser Appartment. Dort angekommen, suchen wir im Internet nach einem Restaurant in der Long Street. Es wird das Tapas Restaurant. Es ist schon dunkel draussen, wir entscheiden uns aber trotzdem zu Fuss dort hin zu laufen. Es sind nur ungefähr 20 Minuten.
Auf dem Weg dorthin kommen wir an einem Park vorbei, wo gerade Suppe für die Obdachlosen ausgeschenkt wird. Mein Glaube an die Menschheit wird wieder etwas hergestellt. 😉
Das Restaurant ist sehr lecker, wir probieren diverse Speisen aus, unter anderem ein Raclette Fondue. Das ist Fonduekäse in einem Raclettepfännchen geschmolzen mit Kartoffeln. Ein Stück Heimat. Wir bezahlen und machen uns wieder auf den Rückweg.

Am nächsten Morgen müssen wir früh raus, es wird nichts aus ausschlafen, denn wir haben über AirBnB eine Tour durch das Viertel Bo Kaap gebucht. Da sind die schönen, farbigen Häuser in der Strasse. Wir machen uns wieder auf den Weg dorthin, wo unser Tourguide Rafiq bereits auf uns wartet. Als erstes gibt er uns als Begrüssung eine Spezialität, die typisch für dieses muslimische Viertel sei. Es ist eine Art Brötchen, mit ganz vielen Zutaten. Ein wahre Geschmacksexplosion in unserem Mund. Danach erklärt er uns, was es mit diesem Bo Kaap Viertel auf sich hat. Bo Kaap ist das älteste Viertel in Kapstadt, in welchem die Häuser noch so sind wie früher. Es beherbergt auch die älteste Moschee von Kapstadt, aber dazu komme ich später noch.
Das Viertel ist ursprünglich das Sklavenviertel von Kapstadt. In diesem Teil lebten vorwiegend Sklaven. Es gab auch noch andere Viertel wo z.B. die Moslems oder die indischen Sklaven gewohnt hatten. Die Holländer haben für den Bau von Kapstadt die Sklaven aus ihren eroberten Ländereien eingeschifft. Die Familiennamensgebung dieser war relativ einfach gehalten. Zu Beginn wurden alle Menschen pro Schiffsladung gleich benannt, z.B. nach dem Monat an dem sie angekommen sind. Später hatten sich die Sklaventreiber etwas anderes einfallen lassen und die Menschen nach Standardnamen benannt, z.B. Michaels, Stevens, Jacobs. Mir fällt auf, dass unser Tourguide ebenfalls Jacobs heisst. Er bestätgt mir, dass seine Vorfahren ebenfalls zu diesen Einreisenden gehörte, jedoch sei es sehr schwer Stammbaumnachforschungen zu machen, wenn man den vorherigen Familiennamen nicht weiss. Er erklärt uns, dass Bo Kaap nicht immer so farbig wie heute war, sondern es früher alles weiss gestrichen war. Die Menschen die dort lebten, die Sklaven, haben von ihren Herren einfarbige Kleidung erhalten. Jeder Bewohner sah gleich aus wie der andere, ein anderes Logo auf der Kleidung war vielleicht der einzige Unterschied, um den Besitz klar zu definieren, wem welche Sklaven gehören. Als die Sklaverei abgeschafft worden ist, waren die Menschen alle so glücklich, dass sie ihre Kleider und sich selbst angemalt haben und jubelnd durch die Strassen marschiert sind. Sie waren nun kein Eigentum von jemandem mehr und konnten machen was sie wollten. Um dies zu zelebrieren, haben sie auch ihre Häuser angemalt und dies ist bis heute noch so.
Weiter oben erzählt er uns, dass es hier ein Lebensmittelgeschäft gibt, welches seit über Hundert Jahren mit Gewürzen handelt. Gewürze sind früher gleichwertig gehandelt worden, wie z.B. Gold. Im Geschäft sehen wir uns um, und sind erstaunt, wie günstig alles ist. Ein Kilo Cashew Nüsse für umgerechnet 5 Franken. Bei uns zahlen wir knapp 5 Mal so viel. Ach ja, die Hochpreisinsel Schweiz, aber wir habens ja.
Weiter geht es zu der ältesten Moschee von Kapstadt, diese wird immer noch von den Menschen hier besucht. Wir ziehen unsere Schuhe aus, um auf dem Teppich des Gebetsraumes zu gehen. Rafiq bringt uns den islamischen Glauben und den Koran etwas näher. Um ehrlich zu sein, ich weiss nicht viel über den islamischen Glauben, hauptsächlich was man so im Fernseher und in der Zeitung liest, also lausche ich gespannt zu. Er schaut hinter der Kanzel, ob sich dort ein Frauenkleid befindet, er wird fündig und übergibt es mit Freuden Varenca. Lustig sieht sie aus.
Er erklärt, der Islam unterscheide sich nicht gross zu unserem christlichen Glauben, jedoch glauben sie nicht daran, dass Jesus Gottes Sohn ist, sondern lediglich ein Prophet. Neben Jesus haben sie noch weitere Propheten, wie z.B. Mohamed, Petrus, Moses, etc.
Auf dem Teppich, auf dem wir sitzen, sind Fenster eingezeichnet, welche in alle Richtungen nach Mekka zeigen. In anderen und früheren Religionen, ist die Gebetsrichtung nach Osten ausgerichtet. Weil man damals geglaubt hat, dass die Sonne Gott ist.
Was es mit Mekka auf sich hat, fragen wir ihn. Mekka ist eine der 5 Säulen des Islams, diese seien unter anderem; der Glaube, das Beten, das Teilen/Spenden, Fasten und Mekka.

Aktuell sei gerade Ramadan bei ihnen, das bedeutet nichts essen oder trinken während die Sonne scheint. Er erklärt uns, dass sie dies machen, um mit den Menschen mitfühlen zu können, welche nichts zu essen haben. Das überflüssige Essen, welches sie in dieser Zeit nicht essen können, verteilen sie unter den Nachbarn und gehen von Tür von zu Tür. Beim Spenden erklärt er uns, handelt es sich um 2.5% seines Einkommens, welches er jedes Jahr an eine wohltätige Institution spendet um zu teilen.

Am Ende unserer Tour ist unser Tourguide froh, dass wir uns für die Geschichte dieses Viertels interessieren. Es kommen tagtäglich so viele Touristen hier an, um diese Strassen zu fotografieren ohne auch nur ansatzweise die Geschichte dahinter zu kennen. Die schlimmste Erklärung, welche er bis jetzt gehört hatte war, dass die Menschen ihre Häuser angemalt hätten, damit sie wissen welches ihres ist, wenn sie betrunken nach Hause kommen. Er erzählt uns, dass dies die meistfotografierteste Strasse in ganz Südafrika ist und es immer mehr Menschen gibt, die hier wohnen möchten. Jedoch ruft dies auch Baufirmen auf den Plan, welche neue Häuser und Wohnungen bauen möchten, um so die Lebensunterhaltskosten für dieses Viertel zu erhöhen. Die Schar der Touristen frustriere viele Einwohner. Sie haben zum Teil zwei Jobs um sich das Leben im Viertel noch leisten zu können. Wenn sie nach Hause kommen, erwartet sie eine von Reisecars verstopfte Strasse. Das Viertel steht noch nicht einmal unter Denkmalschutz, erzählt uns Rafiq, obwohl es das älteste Viertel von ganz Kapstadt ist. Aber er ist mit einer Gruppe dran, dies zu verändern und die Menschen darauf aufmerksam zu machen. Erst am letzten Wochenende, sind sie beim Slaverun mit Schildern auf der Strasse gestanden, um auf die Zustände in diesem Viertel hinzuweisen. Sie wollen eine Homepage erstellen, um noch mehr Menschen zu erreichen, aber das Geld fehlt ihnen. Sie gehen im Viertel von Tür zu Tür um die notwendigen Mittel zusammen zu tragen, jedoch geht es nur schleppend voran. Die Menschen hier haben nicht viel, aber was sie haben, das geben sie. Wir fragen Rafiq, wieviel er denn für die Homepage braucht. “3000 Rand”, sagt er, das sind umgerechnet ca. CHF 240.-. Varenca und ich schauen uns beide an und nicken uns zu. Wir sagen Rafiq, dass er die Homepage als bezahlt ansehen kann. Er schaut uns mit grossen Augen an und fragt, ob er uns richtig verstanden hat. Wir bestätigen es ihm nochmal und er nimmt uns überglücklich in die Arme. Er kann es gar nicht richtig fassen und fragt uns, warum wir das tun. Wir erklären ihm, dass wir das Glück haben, in einem Land aufzuwachsen, in dem wir Armut, so ausgeprägt wie sie hier ist, nicht kennen. Wir sind priviligiert, wir können umherreisen und die Welt entdecken, während andere Menschen aus ihren Vierteln vertrieben werden und auf der Strasse leben müssen. Und wenn wir mit Geld, was wir im Vergleich zu den Menschen hier, sowieso im überfluss haben, etwas verändern können, dann helfen wir gerne. Er kann es immer noch nicht fassen.
Er fragt uns, was wir als nächstes machen werden. Wir sagen ihm, dass wir auf den Tafelberg hochwandern möchten. Daraufhin bringt er uns gleich an die Talstation, damit wir kein Taxi nehmen müssen. Auf dem Weg dorthin ist er immer noch mega happy.
Am Start des Hiking Trails angekommen, erklärt er uns, dass wir ca. 2-2.5h brauchen werden und er dankt uns nochmal ganz herzlich für die riesige Spende.
Wir verabschieden uns, er geht zurück zu seinem Auto, wir geniessen die Aussicht auf Kapstadt. 5 Minuten später startet Rafiq den Motor, lässt das Fenster herunter und sagt uns, er hätte es gleich seiner Gruppe per Whatsapp mitteilen müssen, er konnte nicht warten.

Mit gutem Gewissen nehmen wir den Wanderweg hoch auf den Tafelberg in Angriff. Wir geniessen immer wieder die schöne Aussicht, hören dem Vogelgezwitscher zu und beobachten die Vögel, sofern wir sie entdecken können.
Unterwegs treffen wir einige keuchende Leute an. Es stimmt schon, dieser Wanderweg ist nicht ohne, wenn man es sich nicht gewohnt ist. Umso erstaunter sind wir, als wir unterwegs einen älteren Herr antreffen, welcher sich ebenfalls mit seiner Tochter und einem Guide hochkämpft. Dieser Herr ist 95 Jahre alt, wir sind beeindruckt.
Auf dem Gipfel angekommen, schauen wir auf unsere Uhr, 2 Stunden? Etwas mehr als eine Stunde haben wir benötigt. Oben verharren wir auf dem Plateau und bestaunen die herrliche Rundumsicht.
Wir geben den Vögel noch ein kleines Häppchen unseres Reiseproviants und machen uns auf den Weg zur Gondelstation. In der Gondel sind wir der Schweiz wieder ein Stückchen näher, die Gondelbahn stammt nämlich von der CWA.
An der Talstation angekommen, gehen wir den Rückweg zu Fuss bis zu unserem Appartement.
Am Abend geht es noch ein letztes Mal raus, um unseren Hunger zu stillen.


Manuel

Manuel

Ich liebe unsere Erde... Komm raus und entdecke unsere Welt mit mir, sie hat viele wunderschöne und prächtige Sachen zu bieten!

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